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Abraumhalde für Kunst- und Kultur

Die ungeliebte Warze Edition BravDa


Über jene ungeliebte Warze - die ich liebe

von Gotthard Fellerer

Wir schauen es - doch sehen es nicht
Es ist unsichtbar
Wir hören es - doch horchen es nicht
Es ist unhorchbar
Wir fassen es - doch erfassen es nicht
Es ist unfassbar
Dies Dreifache ist das untrennbar Einfache.
Es ist das Undurchdringliche und doch das Lichte.
Es flutet und ebbt
Aus All ins Nichts
Gestaltung des Gestaltlosen.
Erscheinung des Erscheinungslosen
Es ist das fließend Unnahbare.
Man geht ihm entgegen und sieht nicht Anfang
Man folgt ihm nach und sieht nicht Ende
Es ist der Kreislauf der Wiederkehr des Ewigen
BILDATMEN.

Manchmal muss man sich Zeit nehmen stehen zu bleiben, um nachzudenken.

Ich bin nun seit nahezu 40 Jahren im kulturellen Bereich, sowohl in der Distribution, der Lehre und der Produktion ungebrochen tätig und saß im Laufe meines Lebens in den vordersten und hintersten Bänken der Hochschaubahn "Kunst" und sehe mich nun mit einer kontinuitäts- und konturlosen, manchmal planlosen Konsterniertheit, ja Unsicherheit, sowohl in der Kulturpolitik, wie dem Ausstellungssektor, konfrontiert.

Nur wenige, mit denen ich mich in den 1960er Jahren auf den Weg machte, sind unbeschadet übrig geblieben. Viele sind verstorben, manche haben sich in andere Berufe abgesetzt, andere sich dem Markt angepasst und einige haben überhaupt das (die) Weite gesucht.

Ich habe mir erlaubt, immer vor Ort zu sein, um mich durch Rat und Tat einzubringen, und habe meine künstlerische Produktion und die Kolportation um das Wissen der Besonderheit von Kunst, trotz Widerständen, Absagen, Ausgrenzungen und Negation, nie aufgegeben.

Tonreich und kongenial eröffnete im Palais Palffy, Wien, der bedeutende Musiker Franz Koglmann meine Ausstellung "Bildatmen" und definierte mit seinen klangfarbigen Kompositionen meine farbakkordige Bilderwelt. Die Bilder einer Ausstellung konnte man auch vor seinem geistigen Auge entstehen lassen, und saftige Tonduschen ergaben eine alternative Ganzheitlichkeit, die sich etwa 250 Ausstellungsbesucher bei der Eröffnung nicht entgehen ließen.

"Österreich muss sichtbarer werden", sagte jedoch der Herr Staatssekretär und blieb in seinem Büro. Seine Kulturpolitik sieht er als Querschnittsmaterie und definiert so endlich die Mittelmäßigkeit einer halbherzigen Bildungs- und Kulturmaschinerie, die meist im staatstheatralischen, alles verschlingenden Sumpf stecken bleibt. Wir wissen es: Unsere Welt gehört der Operette und der Mittelmäßigkeit einer Staatskunst, deren Output in der städtischen Sehnsucht nach Unangepasstheit in Blut und Boden gipfelt.

Der Kulturbeamte und sein politischer Zwilling meinen in Österreich zu wissen, was Kunst sei, wenn sie auf Staatsunkosten herumfahren und das Internationale in einer abgeleckten Messenkunst zu entdecken meinen.

Kunst, sehr geehrte Damen und Herren, trägt aber keine Hosenträger, ist weder beamtisch clean, noch beamtenresistent, sondern ist intentional orientiert, originär, nicht egalitär, kein demokratischer Akt, nicht an der Quantität messbar, sondern ist immer der elitäre Output eines Willensaktes, der auch ein konventionell bürgerliches Kunstverständnis hinwegfegen kann.

Jedenfalls ist Kunst keine Feder, die den Gaumen kitzelt, keine zeitgeistige Actress, die beim Lifeball nicht nur die Oberweite aufknöpft und damit das bestätigt, was man sowieso schon immer gedacht hat.

Kunst entsteht im Labor des Künstlers und ist die subjektive Äußerung seines Weltverständnisses und stets ein Produkt der Suche nach Wahrheit, einer Suche, die erst mit dem Überschreiten der "Schwelle nach Drüben" endet.

In Anbetracht dessen erscheinen Polit- und Beamtenwillkür banal, die ja immer in der Letalität einer zunehmenden Mutlosigkeit, vielleicht Vergreisung eines geschlossenen Systems, enden, das von manchem als "Kulturpolitik" apostrophiert wird.

Tatsächlich handelt es sich nur um die gezielte Verteilung von Geld, das dann angeblich, durch Umwegrentabilität, wieder zum Volk, das alles zahlt, zurückkehren soll. Amortisation nennt man dies.

So geben einander bei den diversen Festspielern die Angepassten und Nudeldrucker der Macher die Klinke in die Hand und die engmaschige Verhaberung Österreichs schreitet munter weiter. Bei den zeitgeistigen adabeiigen Seitenblickevents oder der weitverbreiteten "Festspielitis", wo einander immer die selben treffen, fühlen sich Adabeis wie in einer großen Familie: „Man gehe 10 Meter und treffe 100 gute Freunde ...

Zeitgeistig nennt man dies dann "Netzwerk".

Man berichtet und richtet's einander und all dies erhält dann den sankrosankt gnädigen Segen der Oberhaberer, derer, die es sich schon gerichtet haben.

Alle Macht der Undurchschaubarkeit und alles was Österreich war, gehört harmonisiert, verallgemeinert und neutralisiert, so die allgemeine Meinung. Die geistige Einebnung Mitteleuropas im Sinne einer verallgemeinernden Bildungsoffensive von Brot und Spielen ist angesagt, und sogar zweisprachige Ortstafeln werden trotz zunehmendem Analphabetentum zu Stolpersteinen.

Dies betreibt man längst auch im universitären Bereich, in dem die zeitgenössische österreichische Kunst als ungeliebte Warze nicht gelehrt wird, und die Akademie der Wissenschaften stellte fest, dass Deutsch als Wissenschaftssprache ausgedient habe.

Aha! Die große weite Welt gehört, bei Kenntnis marktwirtschaftlicher Ussancen, nun uns, samt der alles umschnürenden Globalisierung, welche die Welt zu einem Dorf verkommen lässt.

Doch dies haben die hohen Damen und Herren vergessen: DIE WELT SIND WIR!, denn diese ist IN uns, neben dem unbestrittenen Umstand, dass wir Österreicher als genetischer Schmelztopf sowieso das Herz dieses Europas sind.

Doch in der Zwischenzeit wissen wir es: Geld und die Gesetze des Marktes regieren die Welt, und die Dumpfheit intellektueller Unbeweglichkeit und die ökonomisch konforme Windschlüpftigkeit dominieren streckenweise den Erfindungs- und Empfindungsreichtum unseres Landes.

Doch wir Intellektuellen und Künstler befinden uns im Widerstand zu solcher Art Kulturpolitik, und dass uns gesagt wird, dass wir eine seltsam hoch gebildete soziale Unterschicht in unserem Lande seien, spricht eigentlich für uns und gegen eine borniert aufgepfropfte Staatskultur, mit der man sich momentan schmückt.

Der bildende Künstler hat seinen Platz in dieser Gesellschaft verloren, es sei dem, er könne Fußball, klassisch Klavier spielen, schön singen oder Schnadahüpfeln.

"Arbeitslose" Künstler nennt man jene, die zwar rund um die Uhr schaffen, sich aber ihren Lebensunterhalt durch Gelegenheitsjobs verdienen müssen.

So beleben diese als trommelnde Duracellhasen ein Einkaufszentrum, chauffieren als Taxidriver Schicki und Micki durch die Stadt, verkaufen Japanern auf Weihnachtsmärkten Mozartpuppen, kleben als Frühschicht Urin-Teststreifen in ein Heft oder sorgen als Hausmeister für Ordnung im herrschaftlichen Jahrhundertwendehaus.

Jedenfalls kann man mit Fug und Recht behaupten, dass die Kulturpolitik grob versagt habe: Es werden junge Menschen an Akademien und Universitäten ausgebildet, deren Wissen niemand benötigt.

Zugleich bestraft man jene, die guten Willens Kunst und Kultur unters Volk bringen wollen:

Nachweislich wurde ich zum Beispiel dafür bestraft, dass ich eine Assistentin im Rahmen meiner umfassenden kulturellen Tätigkeiten (Herausgabe von BravDa, Musik, Malerei, Kunstvermittlung) beschäftigte und nicht wenig Abgaben ordnungsgemäß an die Behörden zahlte. Mir wurde mitgeteilt, dass ich eine von mir widersprochen als "Liebhaberei" titulierte Kulturarbeit leiste und deshalb die Vorsteuerleistungen des Staates mit Zins und Zinseszinsen zurückzuzahlen habe und zugleich Abschreibungen, die meine literarische und musikalische Arbeit betreffen, zu refundieren hätte - auch jene mit Zins und Zinseszinsen.

Es stimmt tatsächlich, dass ich in meiner Begeisterung für Kunst und Kultur unseres Landes mehr Geld investiere als einnehme und damit aber eine Kultur- und

Informationsarbeit leiste, die eigentlich vom Staat zu leisten wäre, indem ich zahlreiche Künstlerkollegen protegiere und viele der Autoren z.B. meiner Zeitschrift "BravDa" keinesfalls schreibende Hausfrauen oder beamtete Gelegenheitsschreiber sind, sondern Universitätsprofessoren oder anerkannte Mitglieder der Kulturszene (Kulturpreisträger).

Ich jedenfalls lebe Kunst und Kultur, und in diesem unseren Kunstverachtenden-System, in dem der größte Teil des Kulturkuchens von der reproduzierenden und bewahrenden Eventkultur verschlungen wird. Da wäre z.B. Vincent van Gogh ebenso Liebhaber gewesen wie Rembrandt van Rijn. Da spricht der Herr Staatssekretär von einer Kulturpolitik, die er als "Querschnittsmaterie" sieht! Meint er da gar die Mittelmäßigkeit?

Offensichtlich ist in diesem Staat für Qualität und Engagement kein Platz mehr, und man darf nur das bewerkstelligen, was einem angeschafft wird. Man sucht "Wurzn", brave Steuerzahler, die für politisches Unvermögen zu zahlen haben und stellt die Kunst des Aussackelns nach Auffindung Ahnungsloser, das sind wir ja, als besondere Leistung der vereinten Absahner hin.

Uns Kulturschaffende wie nasse Fetzen (ich arbeite von 8.00 Uhr meist bis 24.00 Uhr bei einem minimalen Verdienst, wenn überhaupt) auszuwringen, erachte ich für diesen Staat als beschämend, dies alles in der Annahme, dass man annimmt, dass Kulturschaffende sowieso Geld haben, sich ein Vermögen erarbeiten, Ländereien besitzen und sich sowieso nicht um dieses kümmern können.

Als Sanierungskonzept für eine marode Kulturpolitik dieser Art schlage ich als Sarkastiker vor, dass man zusätzlich vielleicht Bilder, die man ermale, am besten gleich als Vermögenszuwächse zu versteuern habe, damit man für dero K(G)ünstlinge, die da das kulturelle Aussaatstheater bevölkern, mehr Geld habe. Besser wäre es, die Kunst unseres Landes durch Beamtend(g)unstler oder, noch besser, durch Caféhausartisten zu ersetzen, da diese sowieso alles besser wissen.

Wir sind die Vergessenen und Zurückgebliebenen, leben im Ghetto unserer Geistigkeit, haben keine Kontakte zur Karibik, fahren nie auf Urlaub, haben kaum Fürsprecher mehr in einer Politik, die sich in Füllwörtern und Nebensätzen ergeht, haben keine Freunde in der Wallstreet, in den besseren Etagen des Ballhausplatzes oder der BAWAG, dennoch hasardieren wir. Doch unser Einsatz sind nicht pekuniäre Mittel, sondern ist unser Leben. Denn wir glauben immer noch, trotz bemühter, gutmeinender, manchmal unfähig willfähriger Kultur- und Bildungspolitiker, an die Kunst unseres Landes, die unser Leben, unser Lebensmittel ist.

"In Wien stellen sich die Nullen immer vor die Einser", sagte einst Karl Kraus ...!

Hätte er heute auch noch Recht?

Ich überlasse die Beantwortung dem werten Gespür. Ich verzichtete bei meiner Ausstellung "Bildatmen" auf einleitende Worte, sondern ersuchte den kongenialen Musiker Franz Koglmann um begleitende Töne und eine adäquate Einstimmung. Er tat dies durch eine Klangdusche, die das Herz bewegte und all die erreichte, die bereit waren.

Ich denke in Bildern, ich atme Bilder, ich atme Welt. Vielleicht sollte ich aber in Euro, Yen, Franken oder Dollar denken und mich um Freundschaften in der Karibik bemühen. Aber für mich ist Malen Atmen, Leben, den flüchtigen Augenblick festhalten - dann wird die sinnliche "Welt" zur Oberfläche eines tiefen Hintergrundes.

Kongenial zur Aussage des TAO TE KING.

Das Unhörbare wurde hörbar und das Unsichtbare sichtbar - es war ein Besonderes, was da geschah - alle Anwesenden spürten dies.

Dies trotz der offiziell ungeliebten Warze.

Die ungeliebte
Warze

Medieninhaber, Herausgeber, Verleger: Gotthard Fellerer
p.A. Neue Weltgasse 26, 2700 Wiener Neustadt,
Verlagsort: Wiener Neustadt, 2700,
Druck: Hausstein, Wiener Neustadt

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